7. März 2020

Habeck pusht das Herz der Demokratie

Quelle pnp

Bundesvorsitzender der Grünen: Durch optimistische, gestaltende Politik Mehrheiten gewinnen

Traunreut. Der Saal des k1 war am Mittwochnachmittag beim Auftritt von Robert Habeck rappelvoll. Der Politiker aus Flensburg schüttelte zahlreiche Hände und stellte sich für unzählige Selfies zur Verfügung. In seiner rund einstündigen Rede ging der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen auf die anstehende Kommunalwahl ein und machte deutlich, dass bayerische Wahlen ein Signal für das ganze Land sein können.

Bild Heidi Rahm Bündnis90Die Grünen Kreisverband Altötting und Robert Habeck

Robert Habeck wurde zu Beginn seines Besuches von der Blaskapelle Traunwalchen in den Saal gespielt, ein für den Norddeutschen ganz neues Erlebnis, das er kommentierte mit den Worten: „Es fühlt sich gut an.“ Er begann mit einem Lob an den Freistaat und dessen Politik, die er nach eigenen Angaben lange nicht verstanden habe. Beispielsweise hätten manche bayerischen Politiker, „die heute jeden Baum umarmen und jeden Bienenstock küssen“, noch vor wenigen Jahren ganz anders geredet.

zeige allerdings Courage und die letzte Landtagswahl habe das Signal an die anderen Länder gegeben, dass man „in Deutschland Mehrheiten gewinnen kann durch optimistische, gestaltende Politik“. Hier rede man miteinander und sperre niemanden aus. Wenn er aus dem hohen Norden auf Bayern blicke, sehe er, dass man es hier verstehe, „aus Tradition Weltoffenheit zu machen. In Bayern weiß man, wo man herkommt und wer man ist“. Schon Sepp Daxenberger, den er selber in seiner Funktion als Fraktionsvorsitzender kennenlernen konnte, habe das bewiesen.

Kommunalpolitiker wahre Helden der Demokratie Die Kommunalwahl ist in den Augen von Robert Habeck keine „kleine“ Wahl, Kommunalpolitik vielmehr das „Herz der Demokratie und ihr Kitt, der alles zusammenhält“. Die Menschen, die sich vor Ort engagieren, würden selten gelobt, aber oft kritisiert. „Und trotzdem tun sie es. Sie sind die wahren Helden der Demokratie“, so der Redner.

Für seinen Vortrag hatte er sich aus zahlreichen Grünen-Themen drei herausgesucht. So seien beispielsweise öffentliche Räume wichtig, für die wiederum die Kommunalpolitiker sorgen müssen. Die zunehmende Isolierung der Menschen, die oft nur noch im Netz unterwegs sind und wenig reale Kontakte haben, werde immer mehr zum Problem. Er sieht ein grünes Anliegen: „Wenn wir als Gesellschaft streiten, diskutieren wollen, brauchen wir gemeinsame Streiträume, sonst sind wir bald keine Gesellschaft mehr.“

Im zweiten Themenkomplex der Verkehrspolitik sei gerade im ländlichen Raum wichtig, dass der Verkehr fossilfrei wird. Es brauche auf dem Land ein Angebot, das die Teilhabe der Menschen am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Heute sei das meist nur mit dem Auto möglich. Angebote des öffentlichen Verkehrs zu verbessern, sei nicht nur für das Klima wichtig, sondern auch für eine „Gleichwertigkeit des Lebens“ in der Stadt und auf dem Land. „Wir müssen adäquate Verbindungen auf dem Land schaffen, die die Leute nicht zwingen, den ländlichen Raum zu verlassen, sonst bekommen wir zwei Gesellschaften.“

Zum dritten Punkt Energie- und Klimaschutz meinte Robert Habeck: „Wir haben Lösungen, wir müssen nur endlich machen.“ Es sei schon viel zu viel Zeit verloren worden. Der Bundesvorsitzende der Grünen erläuterte, dass in den letzten Jahren und Jahrzehnten 138 Milliarden Euro an Sanierungsrückständen an kommunaler Substanz aufgelaufen seien, an Schulen und anderen Einrichtungen. Ein großes Investitionsprogramm für die Kommunen sei daher zwingend notwendig.

Landwirtschaft und grüne Politik kein WiderspruchAuch auf die aktuellen Demonstrationen der Landwirte in ganz Deutschland ging Robert Habeck ein. Deren derzeitige Notlage sei aus der deutschen Vergangenheit entstanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe es die Vorgabe gegeben, dass deutsche Landwirte günstig Lebensmittel in großen Mengen produzieren sollen, um die Menschen satt zu machen. Heute seien allerdings die Lebensmittel in keinem anderen Land so billig wie bei uns, nur zehn Prozent eines Haushaltseinkommens werde für die Ernährung der Familie verwendet. „Deutschland wurde nicht nur satt gemacht, sondern reich und dass Deutschland ein reiches Land ist, liegt auch daran, dass unsere Landwirte so günstig produzieren“, lautet daher sein Fazit. Von 4,5 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben in den 1950er Jahren seien heute nur noch rund 230000 übrig. Die permanente Entwertung der Nahrungsmittel durch „Ramschware“ müsse endlich aufhören. Jedes Jahr werden nach Habecks Angaben Lebensmittel im Wert von 20 Milliarden Euro weggeworfen. Die Landwirtschaft erhalte gleichzeitig fünf Milliarden Euro an Förderung. „Wenn wir mehr Geld für weniger Produkte ausgeben würden, würde das schon helfen.“ Für Robert Habeck sind grüne Politik und Landwirtschaft kein Widerspruch, wie manchmal behauptet wird, sie müssten nur zusammengeführt werden, um gemeinsam Lösungen zu finden.

„Veränderungen wird es in vielen Bereichen brauchen“, weiß der Politiker. Veränderungen würden die Menschen aber oft verunsichern und der Ausspruch „früher war alles besser“, stimme in vielen Bereichen nicht. In den viel gepriesenen 1980er-Jahren sei auch nicht alles super gewesen, „oder wollen sie ein Leben lang Modern Talking hören?“, wollte er zur Erheiterung der Zuhörer wissen. Für ihn liegt die größte Gefahr allerdings darin, Versprechen abzugeben, die nicht einzulösen sind. Die Verunsicherung, die sich in Teilen der Bevölkerung breitmacht, sieht Habeck begründet in der Suche nach Stabilität, nach Orientierungshilfen. Die großen Parteien in Deutschland seien allerdings zunehmend mehr mit sich selber beschäftigt als damit, Politik zu machen.

Die Partei der Grünen, die damals als „Anti-Partei“ gegen das herrschende System gegründet worden sei und eigentlich oft als sehr chaotisch dargestellt wurde, trete nun als die „geschlossenste und orientierteste“ Partei in Deutschland auf. Habeck: „Wir spüren die Verpflichtung daraus, über uns hinauszuwachsen, mehr zu sein als eine Nischenpartei. Wir wollen Verantwortung fürs Ganze, wollen Veränderung gestalten und dabei die Rechtsstaatlichkeit nicht in Frage stellen.“ Die bayerische Kommunalwahl in gut einer Woche sei eine gute Gelegenheit, hier ein Signal zu setzen.

Im Landkreis Traunstein treten mehrere Grünen-Politiker als Kandidaten an. Martin Czepan, Bürgermeisterkandidat in Traunreut, Burgi Mörtl-Körner, Oberbürgermeisterkandidatin in Traunstein, und Gisela Sengl, Landratskandidatin, stellten sich und ihre Pläne im Rahmen der Veranstaltung im k1 kurz vor. Musikalisch umrahmt wurde der Nachmittag von den „Söhnen Traunreuts“.

Pia Mix