12. Oktober 2020

Stellungnahme zum Artikel: “60% der Radlunfälle selbst verschuldet – Innenministerium legt auf AfD-Anfrage statistische Zahlen vor“

Das Aktionsbündnis „Verkehrswende im Landkreis Altötting“ sieht sich durch die Antworten des Staatssekretärs Dr. Eck in ihren Forderungen nach mehr Sicherheit für Zweiradfahrer bestärkt: Knapp 50 % der verunfallten Radfahrer waren nicht Verursacher, der Unfallort zeigt mit Kreuzungen, Einmündungen und Grundstückseinfahren eine nicht überraschende Häufung am „Treffpunkt“ von Kfz, Fußgängern und Radfahrern.

Radfahrer sind Autofahrer, sind Fußgänger und umgekehrt. Wir werben deshalb für gegenseitige Rücksichtnahme und nicht für Ausgrenzung von Altersgruppen und Fortbewegungsmittel. Wie die Zahlen des Innenministeriums zeigen, kann die aktuelle Infrastruktur das Verkehrsaufkommen zu Stoßzeiten nicht bewältigen und eine Entflechtung erscheint sinnvoll. Beispiele aus Radfahrnationen (etwa Dänemark oder Holland) zeigen deutlich, wie diese „Unfallschwerpunkte“ entschärft werden können. Dazu bedarf es deutlich mehr Finanzmittel und den entsprechenden politischen Willen. So wurde aufgrund von häufigen Unfällen mit Kindern in den Niederlanden seit den 1970 Jahren Radwege in den Städten und über Land gebaut. Die Verkehrssicherheit wurde trotz höherem Anteil der Radfahrer am Verkehr (bis zu 30 %) deutlich erhöht!

Die Niederlande und Dänemark machen es uns vor: Das parteiübergreifende Bündnis will diesen lebenswerten Städten mit einem hohen Anteil an Fußgängern, Radfahrern und ÖPNV Nutzern nacheifern. Die hohe Beteiligung an den Befragungen zur Verkehrssituation und die aktive Teilnahme an den Befahrungen der Radwege in Burghausen zeigt das Interesse der BurghauserInnen sich dem Thema zu stellen. Burghausen bietet mit dem Citybus ca. 35 000 Bewegungen pro Monat (das ist etwa die zweifache Stadtbevölkerung) an und bietet für Fußgängern und Radfahrern eine ideale Kombination. Mehr und intelligente Angeboten können die BurghauserInnen dazu motivieren noch häufiger ein- oder umzusteigen.

Der Citybus fährt, Automobile stehen dagegen häufig ca 23 Stunden pro Tag. Auch aus diesem Grund sollte sich die Stadtgemeinschaft überlegen wie wir die öffentlichen Flächen nutzen, wie wir unseren öffentlichen Raum lebenswert gestalten. Mit verbesserten Schulwegen können Kinder diese Lebenszeit aktiv gestalten und werden nicht passiv im Elterntaxi vor die Schule „transportiert“. Mehr Platz für Kinder bedeutet eine liebenswerte Stadt für alle, mehr Bewegung, weniger CO2, weniger Lärm, weniger Stress!

Auf dem Weg in unsere schöne Altstadt hat der Citybus die höchsten Nutzerzahlen, bietet der Hofberg wunderbare Einblicke auf die Dächer der Altstadt und in das Salzachtal. Für ein E-Bike ist er keine Herausforderung; nur die Verkehrsplaner müssen sich mit mehr Ideen für die Entflechtung der Verkehrsmittel einsetzen. Die Schüler machen es vor, die Räder bleiben oben stehen.

Nachhaltige Mobilität erscheint uns als Schlüssel für mehr Lebensqualität! Die Mobilitätsmesse der Stadt Burghausen hat mit vielen Beispielen aufgezeigt, wie wir uns in Zukunft als VerkehrsteilnehmerInnen fortbewegen werden. Ein weiter so führt zu noch mehr verstopften Straßen, zeitraubender Parkplatzsuche, Lärm und Feinstaub. Weitere Steigerungen des KfzVerkehrs sind aus Platzgründen und Klimaschutzgründen nicht mehr darstellbar, intelligente Lösungen gefragt. Rechtzeitig gemeinsam umsteuern – im Sinne von mehr Sicherheit, weniger Leid und einer nachhaltige Mobilität – das Ziel verfolgen immer mehr BürgerInnen. Dazu brauchen wir Dialog, entscheidungsfreudige PolitikerInnen und intelligente Ideen!

Dazu gehört auch eine saubere Darstellung der Zahlen, denn im genannten Zeitraum werden ausschließlich Fahrradunfälle betrachtet, nicht die Unfälle etwa mit Beteiligung von Autos oder LKWs. In Burghausen ergab der Bericht der Polizeiinspektion im Hauptausschuss nämlich eine innerörtliche Zahl von Verkehsrunfällen von 573 und beziffert dabei die Beteiligung des Fahrradverkehrs innerorts und außerorts auf 48, so dass im Stadtgebiet die Fahrradunfälle deutlich weniger als 8% aller Unfälle sind. Geht man von den genannen 49,3 % aus, wären das laut dieser Rechnung nur ca. 4% aller Unfälle, bei denen die Radfahrerinnen und Radfahrer als Verursacher zählen, so dass hier ein vergleichweise geringer Anteil zu verzeichnen ist. Nachdem in der Anfrage an das Innen-Ministerium die Fußgängerinnen und Fußgänger nicht erfasst sind, lassen sich auch hier keine gültigen Aussagen über das generelle Verkahrs- und Unfallverhalten des Autoverkehrs daraus ableiten; und auch nicht zu Unfällen, die nur den motorisierten Verkehr betreffen. Somit bietet die Auswertung der sehr zugespitzt und zu sehr spezialisiert formulierten Anfrage keine allgemein nachvollziehbare oder zulässige Folgerung zum Fahrradverkehr oder zukünftigen Entwicklungen des allgemeinen motorisierten Verkehrs, z.B. dem Auto. Dass die große Anzahl des Fußgängerverkehrs völlig außer Acht gelassen wurde, verweist auf eine selektive und einseitig motivierte Betrachtungsweise eines vielschichtigeren Themas.

Ein Verweis auf die statistischen Häufigkeiten der Unfälle an Kreuzungen oder an baulich getrennten Radwegen lässt außer Acht, dass es hier um zusätzliche Erhebungsdaten geht, die im Vergleich zur absoluten Zahl z.B. zeigen, dass baulich getrennte Radwege (36 Fälle) in nur ca. 4 % von 793 Unfällen eine Rolle spielen. Insofern ist eine Infragestellung der Reduzierung des Tempos in diesem Zusammenhang statistisch nur äußerst schwach in einen direkten Zusammenhang mit diesen Zahlen zu bringen. Außerdem hat Innenminister Hermann selbst bei der Vorstellung der Verkehrsunfallstatistik 2019 folgendes Zitat von sich gegeben: „Zu schnelles Fahren ist der Killer Nummer Eins auf unseren Straßen“ ((Quelle: https://www.stmi.bayern.de/…/200220…/index.php). Dies lässt sich auch ohne eigene Anfrage sofort erkennen und frecherchieren.

Mit freundlichen Grüßen

Gunter Strebel und Stefan Angstl